Wie führt man SAP R/3 erfolgreich in der Klinik-Apotheke ein ?

Dr. Roth, Apotheke Katharinenhospital, Stuttgart
Dr. Winkler, jwconsulting, Walldorf

Dezember 1999

Inhalt:

1. Einleitung
2. Stations- und Apothekenmanagement
3. Eigenherstellung
4. Defektur / Rezeptur
5. Chemotherapie
6. Behandlungsschema
7. Produktionsplan / Zytostatikaetiketten
8. Stammlösung herstellen
9. Zubereitung herstellen
10. R/3 Integration
11. Resümee


Einleitung

Mit der weiteren Verbreitung der Erfolgssoftware SAP R/3 in den Krankenhäusern stellt sich zunehmend die Frage nach der Integration aller Stationen und Funktionsbereiche.
Der Nutzen einer integrierten Software, kommt erst dann voll zum Tragen, wenn möglichst viele Mitarbeiter mit der gleichen Software und auf einer Datenbank arbeiten. SAP trägt den Anforderungen eines Klinikums durch die spezielle IS-H Lösung innerhalb SAP R/3 Rechnung.
Leider werden die Anforderungen der Apotheke auch durch diese Ergänzung nicht vollständig abgedeckt. Somit ist eine Entscheidung zu treffen zwischen folgenden Alternativen: Im ersten Fall wird das Handling in der Apotheke - verglichen mit den Altsystemen - wesentlich komplexer und zeitlich aufwendiger. Im zweiten Fall wird die betriebswirtschaftliche und logistische Integration der Apotheke in das Klinikum - mit vertretbarem Aufwand - nur unzureichend unterstützt.
Eigentlich bleibt als zukunftsträchtige Lösung für Krankenhäuser, die sich für SAP R/3 entschieden haben, nur die dritte Variante übrig. Doch bisher waren die dafür notwendigen Add-ons auf dem Markt nicht verfügbar.

Das Katharinenhospital in Stuttgart (KH) entschied sich für die dritte Variante und ließ die benötigten Add-ons von der Firma jwconsulting entwickeln. So entstand eine mit der R/3 Workbench entwickelte modifikationsfreie, vollständig in R/3 und IS-H integrierte Software für die Klinik-Apotheke.
Die KH-Apotheke ist mit R/3 und diesen neuen Add-ons seit 1.8.1999 produktiv. Sie unterstützen: Somit wurde es möglich sowohl die Altsysteme für die Apothekenlogistik als auch für die Eigenherstellung abzulösen. Die Vorteile liegen auf der Hand:

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Stations- und Apothekenmanagement

Mit den neuen Add-ons wird gleichermaßen die Eingabe der Arzneimittelanforderungen auf den Stationen als auch die Abwicklung in der Apotheke unterstützt.
Die Mitarbeiter auf den Stationen geben ihre Anforderungen durch Scannen der Pharmazentralnummer (PZN) mit der gewünschten Menge mittels Offline-Barcodelesern ein, entladen diese auf dem Stations-PC und speichern die Anforderungen direkt im R/3. Über die PZN wird die Packungseinheit erkannt, aber auch alternative Mengenheiten können ausgewählt werden. Der Durchschnittsverbrauch der Station der letzten Monate wird angezeigt. Es wird zwischen erforderlicher Arztfreigabe oder Oberarztfreigabe unterschieden. Die Anforderungsliste kann gedruckt werden.


Bild 1: Stationsanforderung (Ergebnis der Barcodeeingabe)

Falls für bestimmte Materialien, z.B. Verbandsmittel keine Barcodes existieren, können diese automatisch vergeben, gedruckt und am Lagerplatz angebracht werden.
Die Entnahme auf den Stationen ist nur für im Materialstamm besonders gekennzeichnete Arzneimittel (z.B. Blutprodukte) manuell zu buchen. In allen anderen Fällen erfolgt die Verbrauchsbuchung auf die Kostenstelle der Station automatisch.
Notwendige Freigaben durch Arzt und Oberarzt können durch elektronische Unterschrift erfolgen oder auch per Fax an die Apotheke geschickt werden.
Es wird geprüft, ob die Arzneimittel in der Arzneimittelliste enthalten sind. Falls sie es nicht sind, kann die Anforderung mittels Sonderanforderung gestellt werden.
Durchläufer ohne Materialstamm werden ebenfalls über die Sonderanforderung bestellt.

Die Apotheker sichten die Anforderungen, lassen das Programm prüfen, ob der Lagerbestand reicht, substituieren eventuell bestimmte Arzneimittel und geben sie anschließend zur Kommissionierung frei. Nach Druck der Kommissionierlisten und der Kommissionierung erfolgt die Auslieferung.
Je nach Arzneimittel verlangt der Rechner die explizite Eingabe der Chargennummer (z.B. für Blutprodukte) oder er ermittelt sie nach dem FIFO-Prinzip (first in- first out).
Über Steuerfelder für jedes Arzneimittel kann festgelegt werden, ob es auf den Stationen exakt bestandsgeführt oder sofort bzw. verzögert in den Verbrauch gebucht wird.
Ein Chargenverwendungsnachweis ist in jedem Fall möglich, auch für die externen Häuser. Rückrufe werden dadurch erheblich vereinfacht.

Auch die Retoure an die Apotheke (nur im MM-Modul), die Weitergabe zwischen Stationen und die Schalterabgabe werden durch die neuen Programme unterstützt.

Die Anbindung der Lauertaxe ist vorgesehen. Die Kopplung zu Kommissionierrobotern ist möglich.
Vorgesehen ist neben Fax auch der elektronische Datenaustausch zu Pharmalieferanten (z.B. über EDI oder ALE).
Die Weitergabe ausgewählter Arzneimittel mit ihren Chargen an den Patienten wird dokumentiert.
Damit wird bspw. bei Blutprodukten der gesamte Weg von der Warenanlieferung in der Apotheke über die Weitergabe an die Stationen bis zum Patienten vollständig dokumentiert.

Falls externe Häuser von der Apotheke Arzneimittel beziehen (Lieferapotheke), können sie sich im R/3 System der Apotheke anmelden und die gleichen einfachen Masken verwenden. Das System erkennt am Namen der Einrichtung, ob es sich um ein externes Haus handelt. Bei externen Häusern wird das Vertriebsmodul (SD) von R/3 angesprochen. Neben Auftrag und Lieferung wird automatisch eine Einzel- oder Sammelfaktura bspw. am Monatsende erzeugt.
Zukünftig kann auch eine Direktkopplung (ALE) zwischen den R/3 Systemen der Apotheke und des externen Hauses ermöglicht werden. Dann erfogt die Bestellung im R/3 System des Anforderers.

Selbstverständlich sind alle R/3- und IS-H Standardfunktionen weiterhin nutzbar. Dazu gehört die Bestandsführung, die Disposition, der Einkauf, die Rechnungsprüfung, die Verfallsdatenkontrolle, der Chargenverwendungsnachweis und die Inventur. Es wird in der KH-Apotheke zweimal täglich ein Dispolauf gestartet und die Einkäufer erhalten vom System generierte Bestellvorschläge. Im KH wird dabei das manuelle Meldebestandsverfahren für die Disposition angewandt. So wird bei Unterschreitung des Meldebestandes eine im Materialstamm festgelegte Bestellmenge vorgeschlagen.
Für die Inventur können die R/3 Verfahren, darunter die stichtags- und permanente Inventur für die Apotheke verwendet werden. Die Inventur auf den Stationen erfolgt nach den gleichen Verfahren (...).
Kostenrechnungsseitig können alle R/3 Funktionen genutzt werden, d.h. neben der Kostenstellenrechnung kann bei Bedarf auch eine Kostenträgerrechnung bis zum Patienten durchgeführt werden.

Jede Anwendergruppe (z.B. Station, Einkauf, Kommissionierung, Apothekenleitung) erhält ihr spezifisches Menü bzw. ihre Masken. Mit entsprechenden Berechtigungen wird der Zugriffsschutz gewährleistet.

Die neuen Add-ons für das Stationsmanagement setzen auf den R/3 Modulen FI, CO, MM, SD und IS-H auf. Der Einsatz von IS-H ist dabei nicht Bedingung.

Im Materialstamm werden u.a. die PZN der verschiedenen Packungseinheiten, die normale oder strenge Chargenpflicht, die Art der Bestandsführung, die Arzt-/Oberarztfreigabe, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe einer oder mehrerer Arzneimittellisten festgehalten. Dazu dienen auch die Merkmale des R/3 Klassensystems.

Die Altdatenübernahme erfolgte im KH in zwei Schritten:

Für den zweiten Schritt sind entsprechende Batchinput-Programme verfügbar.

Umfangreiches Berichtswesen rundet das Stations- und Apothekenmanagement ab. Neben den im R/3 System bereits verfügbaren Möglichkeiten der Infosysteme, der Query und dem Reportpainter wurden etwa 30 apothekenspezifische Reports neu entwickelt.

Es wurde insbesondere darauf Wert gelegt, Informationen aus dem Materialstamm, Infosatz oder aus den Archivdaten schnell und übersichtlich zugänglich zu machen. Für die tägliche Routine der Krankenhausapotheke wird die Suche nach z.B. Listung in der Hausliste, Inhaltsstoff und Indikationsgruppe, Packungsgröße, Durchschnittspreis, Lagerbestand sowie Lagerort deutlich vereinfacht und beschleunigt. Auf diese Weise entwickelt sich die Arbeit mit SAP vom zeitaufwendigen Selbstzweck hin zu einem Hilfsmittel.

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Eigenherstellung

Auch für die Eigenherstellung in der KH-Apotheke wurden umfangreiche Add- ons programmiert. Sie setzen auf dem R/3 Modul PP-PI auf. Dazu gehören Programme für die Damit wird die Eigenherstellung integriert, die sich ohne die Add-ons nur sehr aufwendig oder gar nicht im SAP R/3 Standard abbilden läßt. Auf die Verwendung der pharmazeutischen Begriffe in einer eigenen Bedienoberfläche wurde großer Wert gelegt.


Bild 2: Einstiegsbild Eigenherstellung

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Defektur / Rezeptur

Für die Herstellung von Defekturen und Rezepturen werden Stücklisten im System hinterlegt. Bei Bulkware wird berücksichtigt, ob sie sofort, später oder überhaupt nicht (z.B. bei Zwischenprodukten für weitere Eigenherstellungen) abgefüllt wird.
Über ein Auswahlbild gelangt man durch Eingabe einer Chargennummer, des Disponenten und eines Datums auf die Stückliste der Defektur und kann hier sehr komfortabel die Chargen und Mengen der Einsatzstoffe auswählen.
Auch die Abfüllung von Bulkware wird nutzerfreundlich unterstützt.
Häufig vorkommende Rezepturen werden ähnlich wie die Defektur im System abgebildet.


Bild 3: Auswahlbild für Defekturen

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Chemotherapie

Bei der Auswahl, der individuellen Gestaltung und der Anforderung zur Herstellung von Zytostatika-Zubereitungen wird der Arzt (bzw. Apotheker) vom System umfassend unterstützt.
Dafür wurden Transaktionen für die Stammdatenpflege, die Erfassung von Behandlungsschemata und deren Änderungen entwickelt.
Beim Einsatz von IS-H haben die Zytostatika Zubereitungen einen Link zum Fall des Patienten. Für Zytostatika-Anforderungen externer Häuser sind Zusatzangaben (Name, Vorname, Geburtsdatum, Geschlecht) erforderlich. Der Einsatz von IS-H ist keine Voraussetzung nur Nutzung der Eigenherstellung.

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Behandlungsschema

Bei der Auswahl einer Behandlung wird der Arzt über eventuell vorangegangene erfolgreiche, abgebrochene oder andauernde Behandlungen informiert.
Aus den Stammdaten wird ein Behandlungsschema ausgewählt sowie Behandlungsbeginn, Körpergewicht und -größe des Patienten angegeben. Das System errechnet daraus die Körperoberfläche.
Danach gelangt man in das Tableau für das Behandlungsschema. Im Behandlungsschema werden Tag, Datum, Wirkstoff, Dosierung, Dosis, prozentualer Anteil, Applikationsart, Infusionszeit, Berechnungsmethode, Status, Trägerlösung und Modus änderbar angezeigt.

Die Berechnungsarten werden nach

unterschieden.


Bild 4: Behandlungsschema Chemotherapie

Im Behandlungsschema können vielfältige Änderungen durchgeführt werden. So können Zeilen gelöscht, hinzugefügt oder kopiert, Dosierungen relativ oder absolut verändert, die Berechnungsmethode und die Applikationsart angepaßt, die Trägerlösung und der Einnahmemodus ausgewählt werden. Schließlich wird die Zubereitung für einen oder mehrere Tage freigegeben.
Der Status der Zubereitung zeigt an, ob

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Produktionsplan / Zytostatikaetiketten

Alle Behandlungen, deren Status "Für die Produktion freigegeben" ist und evtl. weiteren Selektionskriterien (Wirkstoff, Tag, Station) genügen, werden für den Etikettendruck vorgeschlagen. Die Etiketten dienen gleichzeitig als Arbeitsanweisung zur Zubereitung.
Eine eindeutige Chargennummer kennzeichnet die Zubereitung.
Damit ist die Produktionsvorbereitung für die Zytostatikaherstellung abgeschlossen.

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Stammlösung herstellen

Bevor eine Zubereitung hergestellt wird, muß genügend Stammlösung vorhanden sein. Eine Stammlösung wird in der Regel für mehrere Zubereitungen verwendet. Deshalb ist es zweckmäßig, genügend Stammlösung im voraus herzustellen. Für jeden Wirkstoff wird eine Stammlösung hergestellt. Besteht das Präparat aus Pulver, so wird es in der vorgesehenen Trägerlösung aufgelöst. Ist die Stammlösung bereits als Fertigware vorhanden, so wird formell eine Stammlösung hergestellt, weil das Öffnen der Flasche die Haltbarkeit herabsetzt. Somit wird erreicht, daß eine angefangene Flasche stets als erste zum Herstellen der Zubereitung vorgeschlagen wird.

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Zubereitung herstellen

Ist genügend Stammlösung vorhanden, können die individuellen Zubereitungen für den Patienten hergestellt werden.
Selektionskriterien für die Auswahl zur Herstellung sind Wirkstoff, Datum, Nachname und Station.
Die dazu passenden offenen Herstellaufträge werden angezeigt und können nacheinander abgearbeitet werden.

Die Stückliste für die Zubereitung mit allen verfügbaren Chargen wird angezeigt, eine Wirkstoffcharge und die Trägerlösung werden ausgewählt. Nach Bestätigung wird intern der Prozeßauftrag rückgemeldet und der Status der Zubereitung auf "Endrückgemeldet" gesetzt.


Bild 5: Zubereitung Zytostatika Lösung (Stückliste)

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R/3 Integration

Die Add-ons wurden modifikationsfrei mit den Mitteln der SAP R/3 Workbench entwickelt. Dadurch werden Probleme bzw. Aufwand bei Releasewechseln von R/3 vermieden.
Die Entwicklung erfolgte im SAP R/3 Release 4.0b.
Die Add-ons sind vollständig in R/3 (FI, CO, MM, SD,PP-PI) integriert.
Mit eigenen Berechtigungsobjekten wird den Sicherheitsanforderungen Rechnung getragen.

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Resümee

Die Einführung von SAP R/3 mit den neuen Add-ons von jw consulting in der Klinik-Apotheke des Katharinenhospitals Stuttgart hat sich schon nach kurzer Zeit bewährt.
Die Apothekenlösung hat sich im Dauerbetrieb als stabil erwiesen, die Anwender auf den Stationen haben die neue Technologie grundsätzlich positiv aufgenommen.
Das Ergebnis ist eine höhere Qualität der Abläufe, eine größere Sicherheit, verringerter Eingabeaufwand und eine höhere Kostentransparenz.
Der Umgang mit den neuen Menüs, Masken und Barcodelesern wird von den Anwendern schnell erlernt und als bedienerfreundlich empfunden. Die Vereinheitlichung von Masken und Abläufen bei der Belieferung des eigenen Hauses (MM-Modul) und der externen Häuser (SD-Modul) verringert den Arbeits- und Schulungsaufwand.
Die neuen Add-ons sind so ausgelegt, daß sie auch von anderen Häusern genutzt werden können.

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URL: http://www.katharinenhospital.de/


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